Tafel 2:   Der Herrensee - typisches Feuchtgebiet geprägt vom Fischbach

Der "Herrensee von Niedernhausen" ist ein vom Fischbach geprägter Bereich mit Grünland frischer sowie feuchter bis nasser Standorte, mit Großseggenrieden, Gehölzen (u.a. Erlen-Weiden-Gehölz), Röhrichten, Feuchtbrachen, Hochstaudenfluren (Brennessel-Mädesüß-Flur) und Streuobst.

Kleines Tier mit großem Namen: der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling

Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling - Foto Jean Marc Laugner - CC BY-SA 3.0Die Wiesen am Herrensee werden durch den Fischbach mit ausreichend Wasser versorgt, so dass sich eine besondere Lebensgemeinschaft entwickeln konnte. Die Feuchtigkeit ist wichtig für das Wachstum des Großen Wiesenknopfes (Sanguisorba officinalis). Im Sommer ist die Blüte, die mehr an einen braunroten Fruchtstand erinnert, in den Wiesen zu sehen. Darauf kann man mit etwas Glück einen kleinen bräunlich-blauen Schmetterling sehen. Der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous) legt auf die noch geschlossenen Blüten seine Eier ab. Die Raupen ernähren sich dann anfangs von dessen Blüten. Im Spätherbst lassen sie sich von der Pflanze fallen und werden von den Roten Gartenameisen (Myrmica rubra) oder anderen Myrmica-Arten aufgehoben und ins Nest gebracht. Die Larve imitiert die Geruchsstoffe der Ameisen, so kann sie im Nest überwintern und räuberisch von den Ameisenbruten leben. Im Frühjahr findet die Verpuppung statt. Nun muss der geschlüpfte Schmetterling schnell das Nest verlassen, da seine Geruchstarnung nicht mehr funktioniert und er als Nahrung von den Ameisen erkannt wird. Diese besondere Lebensweise und das Zusammenspiel von den verschiedenen Arten sind sehr zerbrechlich und selten. Wir sind froh, dass wir diese Arten hier am Herrensee haben und hoffen, dass diese empfindliche Lebensgemeinschaft zwischen Land und Wasser erhalten bleibt und geschützt wird.

(Text und fachliche Beratung: Yvonne Lücke, Dipl.-Biologin und ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Naturschutzscheune „Reinheimer Teich“. 
Foto: Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling - Fotograf: Jean Marc Laugner - Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Große Schätze im kleinen Fischbach: ein Kein-Fisch mit Saugnapf

Zum Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) „Herrensee“ gehört als wesentlicher Bestandteil der Fischbachlauf.  Neben einer Vielzahl dem Lebensraum Wasser angepassten wirbellosen Tieren, wie Kleinkrebsen, Muscheln, Würmern, Egeln und Insektenlarven, sind es vor allem drei Arten, denen die besondere Aufmerksamkeit gilt: der Bachforelle, der Bachschmerle und vor allem dem Bachneunauge.

Eines der Erhaltungsziele im FFH-Gebiet Herrensee dient der Art Bachneunauge (Lampetra planeri). Neunaugen gehören zur Klasse der Rundmäuler und sind taxonomisch betrachtet gar keine Fische. Sie stellen eine sehr ursprüngliche Gruppe der Wirbeltiere dar. Der fehlende Unterkiefer unterscheidet die Neunaugen von den Fischen, das Maul besteht aus einer Saugscheibe. Der Name rührt von den sieben Kiemenöffnungen, den Augen und der Nasenöffnung – die mit Phantasie den Eindruck von neun Augen auf jeder Seite vermitteln.
Das Bachneunauge lebt stationär im Süßwasser. Dem Naturbeobachter bietet sich während der Laichzeit im Mai / Juni die Möglichkeit adulte Tiere beim Laichakt zu beobachten. Oft in Gruppen von weiblichen und mehreren männlichen Neunaugen heften sich die Tiere dazu an Steinen fest. Der Laich wird in kleine Vertiefungen abgegeben und besamt. Danach sterben die erwachsenen Neunaugen, die einzig und allein die Aufgabe der Vermehrung hatten.
Die Larve (Querder) des Bachneunauges lebt anschließend 3-4 Jahre im Bachsediment verborgen, und ernährt sich von Schwebteilchen, die aus dem Wasser filtriert werden. Im dritten oder vierten Herbst bildet sich der Querder zum erwachsenen Bachneunauge um. Die Umwandlungsphase kann bis zu einem Jahr dauern, wobei sich Geschlechtsorgane, Hornzähne und Augen herausbilden und der Darm degeneriert. Der Körperbau des erwachsenen Neunauges ist vor allen Dingen auf die Fortpflanzung ausgerichtet. Der Verdauungstrakt ist zurück gebildet, Nahrungsaufnahme findet nicht mehr statt.
Vor allem aufgrund der Lebensweise des Querders sind die Vorkommen des Bachneunauges empfindlich gegen Störungen, wie harte Gewässerunterhaltung oder Baumaßnahmen, wenn dabei Schlamm und Sediment aus dem Bach entfernt werden. Oder gar wenn Gewässerabschnitte trocken gelegt werden – was unglücklicherweise beim Bau des Dammes am Retentionsraum Herrensee passiert ist (siehe Bild unten).

(Text und fachliche Beratung: Karl Schwebel, Regionalgeschäftsstelle Süd Verband Hessischer Fischer)

Damm am Retentionsraum Herrensee - Foto Jörg Bernius 2016
Damm am Retentionsraum Herrensee (Foto Jörg bernius 2016)

Weiterführende Informationen:

 

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